Freitag, 5. September 2014

Unforgiven - Erbarmungslos

Auf dem Bauch in der Schweinescheiße liegen - das war der wilde Westen des einfachen Mannes. Die Entbehrungen der Krauter und Kolonisten in Kansas sind heute nur noch schwer vorstellbar, und im Film-Western kommen sie erst gar nicht vor - da ist alles sauber, trocken, ordentlich. Höchstens der obligatorische schmerbäuchige Mexikaner bietet milden Kontrast zur allgemeinen Aufgeräumtheit (Western-Drehbücher werden nicht von Mexikanern geschrieben).
Rain, wash the blood away: Späße mit der Leiche eines Toten Freundes zu treiben ist bei Clint Eastwood eigentlich nie eine gute Idee

"Unforgiven" ist die Ausnahme von der sauberen Welt der Rollbüsche und klarer Gut-Böse-Trennung, und das ist noch nicht einmal sein einziger Vorzug.

Worum geht's?

Tumult im Freudenhaus von Big Whiskey: ein Freier flippt aus letztlich ungeklärten Gründen aus. Vielleicht weil seine neue Freundin seine Penis zu klein findet, vielleicht, weil er sich bestohlen fühlt, vielleicht ist er mit der Leistung nicht zufrieden. Er ist betrunken, er greift zum Messer und er verletzt die Prostituierte Delilah im Gesicht mit mehreren Schnitten.

Im entstehenden Chaos werden der Cowboy mit dem Messer und sein jugendlicher Partner (zur gleichen Zeit im Nachbarzimmer zugange) festgesetzt. Die Wortführerin der Huren fordert eine strenge Bestrafung. Die Rechtsprechung im Dorf scheint eher am Boden zu liegen - erst will Sheriff Little Bill (Gene Hackman) die beiden Gegangenen auspeitschen, dann setzt er eine Strafe in Höhe von sieben Ponys fest, die aber nicht an Delilah, sondern an ihren Arbeitgeber/Saloonbesitzer/Zuhälter Skinny gehen sollen. 
Was kann eine schwache Frau gegen die "Gewalt der bösen Männer" tun? Sich solidarisieren.

Die Huren sind nicht glücklich mit der Lösung: kurzerhand legen sie zusammen und setzen 1000 Dollar aus für denjenigen, der die beiden Cowboys erledigt. Kernzitat: "Sie mögen uns zwar reiten, aber sie dürfen uns nicht auch noch ihr Brandzeichen aufdrücken!"

Bordellier Skinny petzt bei Little Bill, und der ist vorbereitet: English-Bob, dem erste Kopfgeldjäger, ergeht es nicht gut: nachdem er seine Waffen mehr oder weniger freiwillig abgelegt hat, wird er von seinem alten Bekannten Little Bill zusammengeschlagen und aus der Stadt gejagt.

Schnitt zum Schweinekotten am Arsch von Kansas: William Munny betreibt mit zwei Kindern im wesentlichen erfolglos ("Papa, das letzte Schwein hat jetzt auch Fieber") einen sehr, sehr kleinen Viehzuchtbetrieb. Ehemals Revolverheld, hat Munny seiner Frau zuliebe vom wilden Leben abgeschworen - die liegt nun auch schon drei Jahre unter der Erde. Wirtschaftliche Schwierigkeiten lassen die Nachricht über das 1000-Dollar-Kopfgeld jetzt in freundlichem Licht erscheinen. Moralische Bedenken werden durch die gnadenlose Übertreibung des Botschaften-Überbringers 'Kid' ausgeräumt: "Sie haben ihr die Augen ausgestochen, die Ohren abgeschnitten, und sogar die Titten!".
Das ist Little Bills Trick: erst entwaffnen, dann zusammenschlagen. Deutlich ungefährlicher als ein Shoot-Out. Hier geht es English-Bob an den Kragen

Schon das erste Übungsschiessen zeigt, dass Munny nicht mehr ganz in Form ist. Nach sechs Fehlschüssen auf die Keksdose steigt er auf eine Schrotflinte um, und dann zeigt die Dose auch Wirkung. Zur Sicherheit nimmt er aber noch seinen alten Kumpel Logan (Morgan Freeman) mit.

In Big Whiskey mag man zur Zeit keine Fremden. Obwohl im Fieberdelirium, wird Munny von Sheriff Little Bill zusammengeschlagen und muss den Saloon kriechend verlassen,, während sein Freunde die Abkürzung aus dem Fenster des Puffs nehmen und ungeschoren davonkommen. Für William Munny kein Grund zum Aufgeben: im Gebirge töten die Drei den ersten Cowboy mit einem Bauchschuss, an dem er langsam verblutet. Schütze Logan hat genug und packt die Sachen, während Kid und Munny dem anderen Cowboy auflauern. Kid erschießt ihn auf dem Plumsklo.
Nicht schön: Alles noch dran, aber schwere Erwerbsminderung. Warum steht eigentlich der junge Cowboy, der das Pony gebracht hat, auf der Todesliste?

Als er das Geld in Empfang nimmt, erfährt Munny, dass Logan von den Deputies gefangen und von Little Bill zu Tode gefoltert wurde. Er reitet im Starkregen zum Saloon und überrascht die Deputies bei einer improvisierten Siegesfeier. Munny erschießt den Sheriff, ertränkt die Feier im Blut und reitet zurück zu seinen Kindern.


Wie war's?


Nicht oft, aber dann doch immer wieder an überraschender Stelle gelingt es dem amerikanischen Film, verständliche Emotionen in seinen Helden darzustellen. Wenn Gene Hackmann, nachdem er English-Bob auf offener Strasse zusammengetreten hat (wir reden hier über GEWALT in Großbuchstaben) die Bürger anherrscht: "Geht nach Hause! Verdammt nochmal, ihr sollt nach Hause gehen!", dann ist der sonst ruhige und freundlich-autoritäre Little Bill keine eindimensionaler Westernheld, sondern ein Mensch, der von den Teufeln der Vergangenheit geplagt wird und der sich an der Berechtigung seines Tuns zweifelt.
Zwei alte Kumpels lassen es noch einmal krachen. Der Sanfte von Ihnen wird sterben.

Clint Eastwood als William Munny will braver Bürger sein, ist aber nur im Ausüben von Brutaliät wirklich gut - nur das ist es, was ihn aus der Menge heraushebt. Der Begabung folgen, und wie Little Bill auf die andere Seite wechseln? Der allerdings liegt jetzt tot im Wirtshaus.

Die Huren treten eine Lawine los, die sie nicht mehr kontrollieren können. Trotzig weisen sie alle Angebote zur Aussöhnung zurück (der junge Cowboy will Delilah sein bestes Pony schenken, um die Tat seines Freundes zu sühnen) - bis dann zwölf der Männer des Dorfes tot in ihrem Blut liegen.

Abgesehen von der Emotionalität hat der Film auch klassische dramatische Größe. Edle Einfalt, stille Größe ist es, wenn sich aus einem kleinen Penis eine solch große Katastrophe entwickelt, wo doch jeder der Beteiligten doch nur das Beste (oder zumindest das Angemessene) tun will.

Clint Eastwood, Morgan Freeman, Gene Hackmann: das Zusammentreffen dieser drei Schauspieler macht den Film zu einem unvergänglichen Kunstwerk.

Friendlys Schulnote: Eine glatte EINS, was sonst?

Rätselfrage: Es gibt einen Western, der auch als Eastern gedreht wurde. Einer der Darsteller hat auch schon mal einen König im Film gespielt. Wie heißen die drei Filme?

Antwort der letzten Frage: Das war wieder in "Blues Brothers". Ich weiß, ich weiß, langsam gehen mir die Fragen aus...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Bloggerei

Blogverzeichnis