Montag, 13. Oktober 2014

Phoenix

Mit den Inhaltsangaben, die meine geschätzten Kollegen schreiben, hat dieser Film geradezu gar nichts zu tun. Ich glaube, die waren in einem anderen Film - vielleicht in "Mission impossible"? PHOENIX ist zwar ein Kunstfilm im Sinne, dass nicht jede Gefühlregung der handelnden Personen hunderprozentig zu verstehen ist (Wer hat je Romeo und Julia verstanden?) aber es ist auf keinem Fall die Nazi-Exploitation, die manche Kritiker darin erkennen wollen.
Was steckt unter der Maske? Manchmal möchte man eher nicht so genau hinsehen.

Was passiert?

Direkt nach dem Krieg: Nelly wird von ihrer Freundin Lene aus dem (befreiten) KZ, in dem sie bis zum Kriegsende gefangen war, nach Berlin gefahren. Sie ist durch einen Schuss ins Gesicht schwer verletzt und befindet sich durch Unterernährung und Sepsis in Lebensgefahr. In Berlin wird sie behandelt und das zerstörte Gesicht wird rekonstruiert.

Halbwegs genesen sucht Nelly nach ihrem Mann Johnny. Als sie ihn findet, erkennt er seine durch die Entbehrungen der Lagerzeit und die Verletzung veränderte Frau nicht wieder und Nelly selbst traut sich - unsicher über ihr Aussehen - nicht, sich zu offenbaren.
Schnell weg bevor Dich jemand sieht - Johnny verfolgt nicht ganz astreinen Pläne, die aber mit Nachdruck

Johnny erkennt in der ihm fremden Person die Ähnlichkeit mit seiner Frau und fasst den Plan, mit Ihr zusammen an das Vermögen seiner - wie er glaubt - verstorbenen Frau zu kommen.

Nelly spielt mit, um Johnny nahe zu sein. Lene dagegen ist entsetzt: sie glaubt, dass Johnny seine Frau an die Nazis verraten hat als er die seelische Anspannung, sie dauerhaft auf einem Hausboot zu verstecken, nicht mehr ausgehalten hat.

Johnnys Plan sieht Nelly Ankunft als beeindruckende strahlende Schönheit im roten Kleid vor - er hofft damit allen Fragen, die Nelly in Verlegenheit bringen könnten, vorzubeugen. Der Plan gelingt, die Verwandten am Bahnsteig nehmen Nelly trotz des veränderten Äußeren als sie selbst war. Erst als Nelly beim nachmittäglichen Wiedersehensfeier für die Gesellschaft singt, flammt in Johnny der Funke des Begreifens auf, Ende des Films.

(*** Dazu hat meine Freundin eine ganz andere Auffassung: Sie sagt, dass Johnny seine in seiner Vorstellung durch seinen Verrat zu Tode gekommene Frau und die 'vorgebliche Frau' nicht konsequent auseinander hält. Die Absicht, Nelly gegen jede Wahrscheinlichkeit als strahlende Schönheit aus dem Lager zurückkehren zu lassen, sei aus dem Wunsch, sich von der Schuld zu befreien geboren. Ihr seht, dass Sie in den Fragen der Inneren Welt doch etwas tiefer denkt als ich. Dafür kenne ich mich besser mit Laserkanonen aus :-) ***)
"Zuhause ist nichts mehr" - So wahr hatte Nelly sich das nicht vorgestellt

Gut oder nicht gut?

Sehenswert! Wenn auch nicht für jeden und nicht für jede Stimmung. Das Nachkriegsdeutschland ist schon sehr häßlich geschildert. Mann weiss nicht, vor wem man mehr schaudern soll: vor den gewaltttätigen Luden am Ami-Club? Vor den Soldaten am Check-Point? Vor der diktatorischen Haushaltshilfe? 

Wenn sie nicht böse sind, dann sind sie traurig, weil sie, wie Nelly, zu viel verloren haben, um einfach weiter zu machen. "Horst ist tot. Mein Sohn ist tot" sagt Nellys Cousin zur Begrüßung auf dem Bahnsteig. Wie traurig ist das denn wohl? Da wundert es nicht, dass Lena sich schließlich erschießt. Es war doch zu viel Leid.

Wer sich nun beschwert, dass manche Abläufe nicht perfekt logisch sind im Film wie etwa:
  1. Welcher Wunderchirurg schafft es, aus der Lagerinsassin und Gesichtsversehrten eine so schöne Frau zu zaubern? 
  2. Weshalb ist grade Nellys Lagernummer-Tätowierung bei Johnny der Beginn des Begreifens, wenn er sie doch selbst auffordert, eine entsprechende Narbe in ihren Arm zu schnitzen? Sie könnte sich doch auch stattdessen eine Nummer gemalt haben? 
  3. Weshalb hat sich Johnny vor der Verhaftung scheiden lassen? Könnte das Dokument nicht rückdatiert worden sein? (Mein Opa hat einen Haufen rückdatierter, vordatierter oder mit anderen fragwürdigen Angaben gefüllter Dokumente aus der Zeit, als der Stichtag über Wohl und Wehe entscheiden konnte)

Der Film ist also eher nichts für Kinder unter 16 - ein bischen Lebenserfahrung sollte man schon haben (FSK 12)

Friendlys Schulnote: eine ZWEI-PLUS. Mich hat der Film tief bewegt, allerdings gab es im Mittelteil einige wenige Längen.

Rätselfrage: Wo ich es grade geschrieben habe: In welchem Film ist "Wie war das noch mal im Mittelteil?" ein running gag?

Antwort der letzten Frage: Es ist der Roman "Fashman im Krimkrieg" von George McDonnald Fraser: Wie alle "Flashman"-Bücher eine absolut lesenswerte und lustige Nacherzählung historischer Ereignisse mit dem Gauner und Lebemann Flashman als Anti-Held

P.S.: Nina Kunzendorf aus dem Tatort mit Joachim Krol spielt die Lene
P.P.S.: Es war unglaublich schwierig, zu diesem Film aussagekräftige und hinreichend große Stills zu finden. Da muss am Marketing noch gefeilt werden...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Bloggerei

Blogverzeichnis