Freitag, 14. November 2014

Die Tribute von Panem

Dies ist nicht Jennifer Lawrence bester Film (das ist nämlich ‚Winters Bone‘) aber es ist ein sehr guter und sie ist eine sehr gute Schauspielerin. Was den Film überraschenderweise besonders auszeichnet, ist, dass man ihn (wie andere Klassiker auch) mehrfach sehen kann, ohne sich zu langweilen. Ich komme auf drei, mein Sohn bereits auf sieben Vorführungen – in dieser Beziehung wird der Film bei mir wird der Film nur von ‚Herr der Ringe‘ übertroffen, und das soll schon etwas heißen.
Katniss Everdeen: gehetzt und überfordert. Eigentlich typisch für das Alter, wären da nicht die 23 anderen, die ihr nach dem Leben trachten

Worum geht’s?

Dystropische Zukunft: Nach einem Bürgerkrieg ist die Welt in 12 Distrikte aufgeteilt, die von einem Verwaltungszentrum, dem ‚Capitol‘ beherrscht werden. Als Symbol der Unterwerfung müssen die Distrikte je einen Jungen und ein Mädchen im Alter zwischen 12 und 18 zu jährlichen Gladiatorenspielen schicken. Die Spiele enden mit dem Tod aller Beteiligter mit Ausnahme des Siegers. 

Das Herrschaftssystem ist faschistisch orientiert: Das Wohl der Volksgemeinschaft rechtfertigt die Unterdrückung der äußeren Distrikte, die inneren Distrikte erhalten Privilegien wenn sie die Macht des Kapitols anerkennen und nach außen sichern. In Distrikt 12, in dem die Heldin Katniss zuhause ist, wird nach Kohle gegraben – der Distrikt ist ungefähr der letzte und ärmste in der Reihe. Die Bewohner leben unter bedrängten Bedingungen, arbeiten bei miserablem Arbeitsschutz und leiden Hunger.
Als ihre sanfte 12-jährige Schwester Primrose (Primel) für die Spiele ausgelost wird (deren Überlebenswahrscheinlichkeit nach den ersten zwei Minuten wohl rapide auf null gefallen wäre), meldet sich die 17-jährige, jagt-erfahrene Katniss freiwillig als Ersatz für ihre Schwester. Von den Jungen wird Peeta, der Sohn des Bäckers (Liebesgeschichte!) ausgelost.
Anders als auf dem sympathischen Film-Still ist Haymitch kein freundlicher Mentor: nachdem er über 40 Jugendliche in den Tod gecoached hat, vielleicht verständlich.

Die beiden haben noch eine Viertelstunde für die Verabschiedung, dann werden sie in Richtung Schnellzug geschubst und Richtung Capitol gefahren. Zur Seite sollen ihnen eine Reihe von Stylisten, Coaches und Mentoren stehen, an erster Stelle der einzige aus Sektor 12, der je die Kämpfe gewonnen hat:  Haymitch -  jetzt ein desillusionierter Trinker und Zyniker. (Überigens gespielt von Woody Harrelson, auch aus "Die Unfassbaren" und dem Tallahassee aus "Zombieland")

„Ich bin nur wegen der Erfrischungen hier“

Das Capitol erweist sich als arrogantes Machtzentrum mit faschistoider Überwältigungsarchitektur und ihre Bevölkerung als fröhlich-hohlköpfige, unterhaltungsbedürftige Masse. Katniss und Peeta werden von ihrer Crew in einem Tempo fitgemacht, angemalt, enthaart, frisiert und eingekleidet dass ihnen schier die Zeit zum Nachdenken fehlt. Auf eine Sache immerhin kommen sie: Es können nicht beide gewinnen.
Mit Beginn des eigentlichen Kampfes ändert der Film seinen erzählerischen Ton: war er in Distrikt 12 von Melodram und sozialrevolutionäre Propaganda und im Kapitol von der Darlegung der Gruppendynamik Jugendlicher dominiert, wird es jetzt ein knallharter „Töte oder werde getötet“ Knaller im Stil von „Wounded“. Durch kluges Einteilen der Kräfte, die Hilfe zufälliger Verbündeter und nicht zuletzt durch ein paar Goodies, die ihr Mentor Haymitch ihr zukommen lassen kann, setzt sich Katniss gegen die anderen Kinder und Jugendlichen und gegen die übelwollenden Spielorganisatoren in der Zentrale durch.
Beim Showdown gelingt es Katniss und Peeta gemeinsam, den letzten Gegner zu überwinden – nun stehen sie vor der Aufgabe, unter sich auszukämpfen, wer von beiden stirbt und wer siegt und überlebt.
Effie Trinket ist auf ihre schrill-hysterische Art effizient und wohlmeinend. Katniss muss mit dem arbeiten, was sie hat.
Katniss setzt die Regeln außer Kraft, indem sie ankündigt, dass sie beide (auch als Konsequenz ihrer zumindest vorgespiegelten Liebe) gemeinsam in den Tod gehen werden. Sie haben das Gift schon an den Lippen, da entscheidet Spielleiter Seneca sich in der Wahl zwischen ’keinem‘ und ‚zwei‘ Siegern, beide überleben zu lassen. Für diese, in den Augen des Diktator-Präsidenten Snow falsche Entscheidung, wird er schließlich zum Selbstmord gezwungen.

Wie war’s?

Ein sehr guter Film, der auch beim Wieder-Schauen nichts von seiner Wirkung verliert. Katniss verkörpert überzeugend eine Figur, die nur sehr schwer zu spielen ist: eine von den Ereignissen gesteuerte junge Erwachsene, die versucht, Verantwortung für die kleine Schwester und die depressive Mutter zu übernehmen - eine Herausforderung der sie in keiner Weise gewachsen ist. Misstrauisch, aggressiv, hart – gleichzeitig verletzlich und bemitleidenswert, wenn sie Maske und Rüstung ablegt. Dabei kann man nicht sicher sein, ob sich unter der Maske nicht eine zweite Maske verbirgt – spielt Katniss nur ihre Karten so gut aus wie sie kann? Sind wir Zuschauer die manipulierten, ebenso wie die geschminkten Narren im Publikum des Capitols?
Ich weiß nicht, ich weiß nicht: Ich habe mir die Position von Zeigefinger und Pfeil schon in extremer Vergrößerung angesehen - wenn das nicht die Momentaufnahme eines herunterrutschenden Geschosses ist, dann müssen sie ein Gummiband oder eine Menge Klebstoff für das Photo verwendet haben... Außerdem ist der Pfeil aus unklaren Gründen auffallend un-mittig eingenockt. Inzwischen sollte Jennifer Lawrence doch Bogenschießen gelernt haben ?!?

Beim Schreiben fällt mir auf, dass die Rolle der Katniss Everdeen in „Tribute“ große Ähnlichkeiten zur Ree Dolly aus „Winters Bone“ hat: aus kleinen Verhältnisse, von den Eltern allein gelassen, ein kleines Rad in den Plänen von Erwachsenen, deren Motive zumindest zweifelhaft sind und die im Allgemeinen nicht die Wahrheit sagen.

Der Kampf der Jugendlichen Jeder-gegen-Jeden ist spannend, die zeitweiligen Allianzen zur Ermordung der Mitspieler sind nur angedeutet aber (und da unterscheidet sich der Film grundlegend von dem misslungenen „Maze Runner“) immerhin glaubwürdig.

Mein Liebling unter den ambivalenten Figuren des Films ist Showmaster Caesar Flickerman (gespielt von Stanley Tucci, das ist der liebenswerte Chefdesigner aus „Der Teufel trägt Prada“ – noch was: er ist der Freund von Emily Blunts älterer Schwester, und die hatte in „Edge of Tomorrow“ eine Hauptrolle) . Die Rolle des Showmasters hätte leicht als zynischer Verderber entlarvt werden können – stattdessen ist Flickerman der Freund und Helfer der jungen Athleten und scheint aufrichtig unter den (unwidersprochen hingenommenen) Verhältnissen, dass sie alle bis auf einen sterben werden, zu leiden. Caesar Flickerman ist als der sympathische, kompetente, unkritische Mehr-als-Mitläufer von nebenan absolut glaubwürdig dargestellt.
Caesar Flickerman wie er lacht und lebt: Der freundliche Onkel ist wirklich freundlich - das ist ja mal etwas neues in diesem Film.
Mein Fazit: unbedingt ansehen, gerne auch mehrmals. Teil zwei der vierteiligen Trilogie (das macht gelernten Informatiker immer wieder fertig!) ist nicht ganz so gut, ich freue mich jetzt schon auf Teil drei, der in einer Woche in die Kinos kommt.

Friendlys Schulnote: EINS-MINUS, ein bisschen auf der schwachen Seite, weil in der Fülle der Kriegs- und Kampfhandlungen die Sozialkritik unvermeidbar etwas kürzer ausgeführt werden musste. Aber das ist bei mir altersbedingt: bin halt keine sechzehn mehr - da hätte mich das nicht gestört, und dann gibt es ja auch noch „Winters Bone“ für mich.

Rätselfrage: Weshalb sind die Diener im Capitol keine Sprechrollen?

Antwort der letzten Frage: Das Metallica-Album war komplett schwarz (weil ich das wusste, habe ich auf der Spielemesse ein Plektron gewonnen) und Drummer Lars Ulrich war ein außerordentlich begabter Tennisspieler (wie auch sein Vater). Er kam ursprünglich in die USA, um sein Spiel zu perfektionieren, blieb dann aber doch bei den Drums und dem Hard Rock hängen.

Als kleines Goodie: Jennifer Lawrence hat uns einen kleinen Blick in ihre Wohnung gewährt. Er offenbart eine sympathische Unordnung und eine, sagen wir vorsichtig, nicht übertrieben durchgestylte Inneneinrichtung. 
Nicht immer alles so rumliegen lassen! Das nicht mehr hören zu müssen, ist bei jungen Erwachsenen der wesentliche Grund für eine eigenen Wohnung. Wer kann mir sagen, was das für Gegenstände und Produkte in Lawrence Wohnung sind? Ich vermute ein Deo, Feuchttücher, die weiße Flasche scheint mir eine Flüssigkeit für Kontaktlinsen zu sein, auf dem Boden liegt eine ... Unterhose? Oder ein Haargummi?...  - "Nein, ich verletze nicht meine Bewährungsauflagen, ich bin immer noch mehr als hundert Meter von ihr entfernt, Officer!"

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