Montag, 17. August 2015

Der große Trip - Wild

Flüchten, Totstellen oder Angreifen? Wenn keine der üblichen Methoden mehr fruchtet, muss man zu besonderen Maßnahmen greifen. Cheryl Strayed ist ziemlich in der Sackgasse als sie sich aufmacht, die 1600 Kilometer des Pacific Crest Trail zu wandern: Heroinsüchtig, wahllos promiskuitiv, von ihrem Mann grade getrennt, Mutter an den Krebs verloren. Die Freundinnen sagen‘s ihr ehrlich, sie ist ein Wrack.
Kalte Haferflocken mit Rosinen, kalte Haferflocken mit Nüssen, kalte Haferflocken mit Trockenthunfisch. Das passiert, wenn man für seinen Benzinkocher Spiritus einpackt - ein Farmer hat Mitleid

Worum geht’s?


Cheryl packt viel zu viele Sachen in einen viel zu großen Rucksack, dabei glücklicherweise auch ein paar Dinge, die sie am Ende doch brauchen wird. Obenauf liegt der Wanderführer für den PCT, den sie im Reisebuchhandel in einer ihrer schwärzesten Stunden gekauft hat.
Mittleres Regal, ganz links: Manchmal bleibt etwas einfach im Hirn hängen und kommt erst Wochen später wieder ins Bewusstsein. Dann ist es meistens etwas Wichtiges.

Die nächsten tausend Meilen kämpft sie mit den üblichen Schwierigkeiten einer Ultra-Wanderung: Wassermangel,  nicht zusammenpassende Ausrüstung, Unerfahrenheit, bedrohliche Begegnungen mit Jägern und Bauern, seltsamen Amerikanern im Allgemeinen. Sie wird unterstützt - von ihrem Ex-Mann, der Ihr aufmunternde Briefe und Pakete an die Stationen der Reise schickt, von Mitwanderern, einige erfahren (die ihr neue Schuhe besorgen) und einige unerfahren (die wenigstens gute Laune verbreiten).
In Ashland, Oregon kommt Cheryl wieder unter die Leute. Und was für welche!

Der Film schaltet zwischen den Episoden der Wanderung zu Erinnerungen aus der Jugend, an ihr Leben mit der Mutter und mit ihrem Mann. Einsamkeit, Zeit und Konzentration auf sich selbst helfen ihr, einen neuen Blick auf ihr Leben zu gewinnen und um ihre Verluste zu trauern.
“God is not a granter of wishes. God is a ruthless bitch.”
Erstaunlicherweise gelingt es im Film sogar, die besondere Stimmung, die das Erreichen des Ziels nach einer langen Wanderung einzufangen - (hier ist es die imposante „Bridge oft the Gods“ in Oregon. Dieses Gefühl, nach langer Anstrengung endlich ‚da‘ zu sein ist nämlich von diesem Moment ab unser Eigen – unveräußerlich, nicht kopierbar und auf Dauer. Schön.
Das erhabene Ziel, der Topf aus Gold am Ende des Weges: Die "Bridge of the Gods". Ist übrigens mautpflichtig.

Wie war’s?


Ziemlich gut! Irgendwie lustig (wenn Cheryl wie eine von einem Kiesel begrabene Riesenameise unter ihrem Monsterrucksack auf dem Motel-Teppichboden liegt und nach der besten Methode sucht, um sich in die Senkrechte zu bringen). Tragisch, wenn Cheryls Mutter beschließt, ihr Leben jetzt wieder selbst in die Hand zu nehmen, zu studieren und dann binnen 30 Tagen an Krebs erkrankt und stirbt. Inspirierend, wenn die seltenen Begegnungen mit anderen Menschen auf dem PCT (vielleicht wegen der sensorischen Deprivation) eine mystische Tiefe erlangen.
Die Autorin im Wald, ungeduscht und noch nicht am Ziel.
Filmerisch besticht „Wild“ vor allem durch die gelungene Abbildung des Naturschönen. Da möchte ich auch hin! Reese Witherspoon sieht Cheryl Strayed (eine Ex-Cross-Country-Langstreckenläuferin, Ex-Cheerleaderin, Ex-Homecoming Queen – was heißt: die beliebteste Schülerin ihres Jahrgangs - also eine Heißdüse erster Kajüte) nicht nur ziemlich ähnlich (zum Vergleich gibt es im Abspann dann auch ein paar Fotos), sondern spielt die “Durch den Wind”-Aspekte von Cheryl ebenso glaubhaft wie später die Frau, die sich auf ihre Trauer (um die Mutter, um die Ehe, um die Jugend) einläßt. Alles gut.


Friendlys Schulnote: Eine ZWEI-PLUS. Geeignet ab 14. (Jüngere Kinder verstehen im Allgemeinen dieses Trauer-Ding nicht).

P.S.: Die Schuhe hat sie bei REI gekauft. Schleichwerbung kann man das wirklich nicht mehr nennen - aber wenn's war ist...

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