Freitag, 13. November 2015

James Bond: Spectre

Ein Hubschrauber und zwei Männer, die sich auf Leben und Tod bekämpfen, taumelt hoch über dem Zocalo von Mexiko-City. Der Platz gefüllt mit Männern und Frauen, geschminkt und verkleidet als Skelette und Leichen: Es ist Allerseelen.

Lea Seydoux (hier bis zum Anschlag aufgebrezelt) hat Wirkung auf die Männer und auf Bond im speziellen. Dabei will sie eigentlich nur ihre Ruhe. Sie kann allerdings auch schießen.

Der Hubschrauber fliegt im Sturzflug, macht Manöver, die normalerweise nur für kleine rote Doppeldecker reserviert sind. Wenn der Held den Hubschrauber nicht bald unter Kontrolle kriegt, gibt es ein Blutbad, gegen das Rammstein ein Kindergeburtstag war. Also: Vollgas!

DAS ist Actionkino! Ich liebe es! Das ist das beste Bond-Film-Intro das ich jemals gesehen habe!

Der Zocalo. Eine Menge Platz zum Wegrennen

Das war’s aber auch schon mit dem Lob. Ich weiß nicht, ob nach den ersten zwölf Minuten das Geld schon alle war oder ob Regisseur die Lust verloren hat – Jedenfalls gibt es danach nicht mehr viel Positives zu berichten. Hier ist Friendlys Checkliste für Bond-Filme:

Wie sind die Girls?


Naja. Schön sind sie natürlich alle, angefangen von Naomi Harris (als Miss Moneypenny, kein Sex in dieser Folge) über Monica Bellucci (als schöne Witwe Lucia, James hat übrigens ihren Mann getötet. Später landen sie im Bett) bis zu Madelene Swan (als verfolgte Tochter eines in Ungnade gefallenen Gangsters, nur Küsse). Aber aufregend sind sie nicht. Die Zeiten von Ursula Andress und Halle Berry  sind wohl endgültig vorbei.


Ursula Andress in ihrem Auftritt in "Dr. No".
Halle Berry in "Stirb an einem anderen Tag". Was ich eigentlich zeigen wollte (und was in den Fotos nicht sichtbar wird) ist, dass beide im Film ähnliche Bikinis mit einem (absurden) Gürtel tragen.

Wie heldenhaft ist James?


Kein bisschen. Er ist … müde. Alt geworden. Unsympathisch. Fast ein bisschen fies. Jedenfalls niemand, von dem man sich beschützen lassen will. Und obwohl Zurückhaltung ja gerne mit Coolness verwechselt wird: James ist nicht cool.


Diesen verkniffene Gesichtsausdruck verbunden mit dem starren Blick, die einen mutmaßen lassen, dass man durch die Augen direkt die hintere Schädeldecke sehen kann, trägt Bond die meiste Zeit im Film. Schön ist das nicht.

Wie böse ist der Erz-Bösewicht?


Hätte ein Highlight werden können, der Auftritt von Christoph Waltz. Es wird ein Rätsel bleiben, warum ein Regisseur den besten Filmschauspieler der Gegenwart engagiert und ihn dann mit einer bösen, verzwergten Kleinkinder-Motivation ausstattet. Mord aus Eifersucht auf das Pflegekind? Das ist ganz, ganz kleine Münze für jemanden, der doch eigentlich die Welt beherrschen will.

Knallt die Action?


Dr. – No! Warum beginnt Regisseur den Film mit einem Paukenschlag (Heli über Mexiko), der sich mit dem besten was ‚Transporter‘ zu bieten hat messen kann und dreht den ganzen Rest des Films so gelangweilt, als wolle er eigentlich doch lieber an seinem Schniedel spielen? Potential vertan, und zwar vollständig.


Hier mal behind-the-scenes: Monica Bellucci ist vielleicht mit 50 Jahren das älteste Bond-Woman, aber mit Sicherheit auch eines der am besten gekleideten.

Die Story:


Irgendwie schwach: Oberboss einer kriminellen Vereinigung zieht die Fäden in diversen illegalen Operationen und hat James seit langem aus familiären Gründen auf dem Kieker. Die aktuelle Methode zur ‚global Domination‘ ist das Abhören sämtlicher Kommunikation – ganz so wie im letzten „Mission Impossible“ und in gefühlt fünf anderen Filmen. (Snowden, du hast mehr bewirkt als du ahnst.) Besonders unerfreulich: der Plot ist so vollständig vorhersehbar, dass es einem das Hirn käst.

Dieses Kleid zu tragen erfordert ein gewisses Maß an Selbstwertgefühl und Körperbewusstsein. Lea hat's.

Können wir das glauben?


Nee. Das ist zwar bei einem Bond auch nicht gefragt – die Filme sind ja traditionell als feuchte Träume für möchtegern-Machos und nerdige Witze-Fans angelegt. Aber: Seit Daniel Craig den Bond spielt, sollte alles ja erdiger, realistischer und härter daherkommen. Hat auch geklappt (mit dem Film ‚Casino Royal‘). Danach hat sich James Bond für mein Empfinden statt auf „Erdig“ leider sehr unglücklich auf „Sieht scheiße aus, ist nicht mehr witzig und abnehmen tun wir es ihm trotzdem nicht“ positioniert. 

"You shouldn't stare" 
"Well, you shouldn't look like that"

Kleines Beispiel: Des Bösewichts Hauptquartier sieht aus wie eine Mischung aus Planetarium und Industrieforschungslabor – drinnen sind im wesentlichen Überwachungscomputer. Zündet man es aber an, explodiert es wie ein Gastanker – Feuerbälle wo man nur schaut. Halten wir das für fehlende Liebe zum Detail nach dem Motto „Der Zuschauer ist doof“?


Auf mich wirkt Bond hier eher übergriffig und bedrohlich. Ich hätte ihn an die Luft gesetzt, Lebensretter hin oder her.

Zweites Beispiel: Bond bekommt natürlich alle Frauen am ersten Abend der Bekanntschaft auch ins Bett – das ist möglich (wenn auch unwahrscheinlich) wenn er sehr charmant ist und die potentiellen Sexualpartner der Sache gegenüber prinzipiell aufgeschlossen. In ‚Spectre‘ ist James echt abstoßend und die Frauen mit ganz anderen Dingen beschäftigt, aber gevögelt wird trotzdem. Das ist schwach. Merke: „Wer ficken will, muss freundlich sein“ gilt auch für Doppel-Null-Agenten

Wie sind die anderen Schauspieler?


Die waren gut bis besser:

  • Von Monica Bellucci aus Italien kann man lernen, was a) angemessenes Verhalten und b) die korrekte Kleidung beim Todesfall naher Angehöriger ist.
  • Lea Sedoux als die Tochter, die nichts mit den Geschäften ihres Vaters zu tun haben will, spielt mindestens überzeugend und reagiert als einzige halbwegs plausibel auf den offensichtlich überforderten Dirty-Old-Man Craig: nämlich mit „Sie können noch nicht einmal sich selbst schützen“
  • Waltz als Bösewicht ist natürlich die naheliegende Besetzung und gefiel mir leidlich – er spult alles (vielleicht auch vom Drehbuch gezwungen) recht routiniert herunter und muss eine Menge Blödsinn verzapfen.
Dieses Design-Restaurant in Sölden spielt im Film eine psychosomatische Reha-Klinik - das nenne ich Leiden mit Stil.

Was ist mit den Gadgets?


Zu wenig, zu schwach. Da ist ein biiiiiiischen Witz, wenn Q auf die Frage: „Was kann die Uhr?“ mit „Sie zeigt die Zeit an“ antwortet, und ja, sie ist eine kleine Zeitbombe – das kann im Alltag schon nützlich sein. Aber kein Vergleich zu den experimentellen Superwaffen aus der glorreichen Vergangenheit.

Das Auto sieht schnell aus und hat einen „Atmosphere“-Schalter, der die Sitze zurückstellt und romantische Musik auflegt. Hätte ich auch gerne. Aber sonst: Gähnende Leere an der Techno-Front.


Das Fest der Toten lädt ein zu allerlei Schabernack. Diese Mexikanerin führt Bond zum besten Platz für ein gezieltes Attentat mit dem Scharfschützengewehr

Fazit:

Bond-Filme sind eigentlich nie wirklich gut, und unter dem Mittelmaß ist ‚Spectre‘ eher noch schlecht. 

Friendlys Schulnote: Drei-Minus, da tut sich auch in den nächsten zehn Jahren nichts mehr. Vielleicht sollte sich mal jemand trauen und das ganze Bond-Franchise einstellen. Zeit wär's.

1 Kommentar:

  1. In vielen Punkten gebe ich dir Recht: Blofeld ist zu uninspiriert und auch so von Waltz gespielt, die Vorhersehbarkeit des Plots (den jede moderne Actionfilm-Franchise neuerdings hat), die Action (mal abgesehen vom Intro) usw. Du schreibst auch etwas, was mir vielleicht gar nicht sofort aufgefallen ist: Belluccis Witwe und Seydoux' Swann werfen sich ihm gar nicht so sehr an den Hals hier (im Gegensatz zu Skyfall), er muss richtig Überredungskünste anwenden, was fast schon wieder witzig und glaubwürdig ist. Moralisch verwerflich ist seine sexuelle Zusammenkunft mit der Witwe seines Opfers nicht, aber die Szene hat bei mir einen negativen Beigeschmack hinterlassen.

    Bond-Filme sind bei mir mittlerweile immer very guilty pleasure. Ich kann nicht anders als sie zu sehen und bin dann bei der zweiten Sichtung - oder, wenn die Euphorie nachlässt, immer nüchtern bei der Sache. :-) (YP)

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