Mittwoch, 5. November 2014

Friendlys Jubiläumspost (50)

Uuuund da ist es schon wieder so weit: die fünfzigste Filmkritik liegt hinter mir, Zeit für einen Post mit allgemein-bildendem Charakter. Heute erzähle ich etwas über Widerstand und Kontrollen, über meine liebsten Film-Blogs, ich analysiere ich mal ein bisschen auf meinen eigenen Daten herum und rede von meinen Problemen mit der Rechtschreibung.
Nadeschda Tolokonnikova von Pussy Riot
Nadeschda Tolokonnikova von der Band Pussy Riot: Vergesst nicht, dass es Menschen gibt, die sich der Unterdrückung von Kirche und Staat entgegenstellen - wahrscheinlich haben sie dabei ziemlich Angst und tun es trotzdem
Ich habe in den letzten Tagen ziemlich viel über die Kategorisierung von Jugendfilmen und deren didaktische Absicht nachgedacht. Ich glaube, eine halbwegs sinnvolle Unterscheidung könnte sein, sie in Filme mit "emanzipatorischem" auf der einen und "unterdrückendem" Konzept auf der anderen Seite einzuteilen.

Also schnell mal nachschlagen: was ist Emanzipation?

"Ziel emanzipatorischen Bestrebens ist [...] ein Zugewinn an Freiheit oder Gleichheit, meist durch Kritik an [...] hegemonialen Strukturen, oder auch die Verringerung von seelischer oder ökonomischer Abhängigkeit". 

Ein emanzipatorischer Film ist also einer, der ermutigt, sich für seine eigene oder die Freiheit und Gleichheit anderer Personen einzusetzen. Ein unterdrückerischer Film ist einer, der Ungleichheit und Unfreiheit gutheisst. Etwas direkter am Thema könnte man auch sagen: ein emanzipatorischer Film (E-Film) stärkt Kinder, ihren eigenen Vorstellungen und Empfindungen zu folgen, auch wenn die Gesellschaft (das sind vor allem auch die eigenen Eltern, also ich) dagegen sind. 

Bisschen unheimlich, was? Ich will ja grade, dass meine Kinder meiner wohlmeinenden Führung bezüglich Sittsamkeit, Hygiene, Gesundheitsfürsorge und allgemeiner Ethik folgen (schließlich sind meine Vorstellung ja auch richtig, oder). Und jetzt sollen sie sich davon emanzipieren und einem Sumpf aus Unzucht, Schmutz, Drogenkonsum und Rücksichtslosigkeit verfallen?
Eine Frau von Prinzipien hat klare Vorstellungen von den wünschenswerten Verhaltensweisen und inneren Einstellungen ihrer Nachkommenschaft. Dem ist kaum etwas hinzuzufügen.

Für mich ist das Problem ungeklärt. Ich setze darauf, dass Eltern ihre Kinder sowieso nicht merklich durch Erziehung (im Sinne von Ansporn und Ermahnung) beeinflussen. Anders als mein eigener Vater bin ich aber auch nicht der Meinung, dass sich die Entwicklung von Kindern völlig unbeeinflusst von ihren Eltern vollzieht (das ist der Grund, weshalb sich meine Eltern aus dieser Aufgabe guten Gewissens heraushalten konnten. Das nenne ich gelungene nachträgliche Rationalisierung...).

Meine eigenen Beobachtungen zu diesem Thema lassen sich im chinesischen Sprichwort "Hast Du den Teufel aus deinem Garten vertrieben, findest du ihn im Garten deines Sohnes wieder" zusammenfassen: Weil Eltern vor allem durch ihr Beispiel erziehen, ist es nicht ungewöhnlich, dass die Jugendliche gewisse Charakterzüge zeigen, die auch an ihren Eltern zu finden sind (oder, in bewusster Opposition, das genaue Gegenteil). Wird dem Gerechtigkeitsfanatismus des Vaters aus Jugendjahren durch Zeit und Lebenserfahrung die Schärfe genommen, sieht er sich auf einmal mit unbedingter moralischer Rigorosität seiner Nachkommen konfrontiert. 
Femen-Protest: Religion ist Sklaverei
Beitrag zur Emanzipation? Oder Einladung zum Voyeurismus? Immerhin haben es Femen-Bild und -Botschaft aus Putins Russland in diesen Blog geschafft

Ihr könnt Euch vorstellen, wie anstrengend das Leben auf einmal wird, wenn man den Kindern kein schlechtes Beispiel sein will. "Notlügen" in Gegenwart der Kinder fallen komplett weg. Volksbelustigungen wie Arbeit ohne Rechnung oder der kleine Versicherungsbetrug - vergesst es. Schlecht reden über den garstigen Nachbarn? Gewöhnt euch lieber schon einmal daran, auch die andere Seite darzustellen, sonst werden ihr von den Kindern zur Ordnung gerufen, oder - und das ist schlimmer - sie übernehmen all diese fragwürdigen Haltungen und ihr bereut es für immer.

Bin ein bisschen weg vom Thema Film gekommen: In wie weit können Filme da helfen oder schaden? Indem sie Beispiele von erfolgreicher oder nicht-erfolgreicher Emanzipation geben. Mein Lieblingsbeispiel für einen unterdrückerischen Film ist "Flashdance" (wer sich nicht erinnert: Tanzspektakel aus den Achzigern)
Schweißerin Alex hat einen ehrbaren Beruf, der im Vergleich zu dem einer Frisörin, Physiotherapeutin oder einer Bäckereifachverkäuferin eben mal nicht grauenhaft unterbezahlt wird. Anstrengend, aber damit könnte sie Mann und Kind ernähren
Es geht um eine junge, gut aussehende Schlosserin namens Alex. Da sie außerdem noch tanzen kann, setzt sie nun alles daran, aus dem grässlichen Männerberuf, der mit Schmutz, Verantwortung und Anstrengung verbunden ist, in einen rosa Mädchentraum zu wechseln, der schwach entlohnt, aber auch anstrengend ist. Weil man das eben so macht.
Allerdings glaubt sie, dass Tante und Gesellschaft von ihr erwarten, in sexuell konnotierter Pose auf der Bühne Wet-T-Shirt-Tänze zu veranstalten. Dass hält sie dann auch prompt für ihren eigentlichen Lebenszweck. Schwerindustrie ist ja auch nichts für Mädchen.

Schlimm ist an diesem Film nicht so sehr, dass Alex lieber posieren als planen will, sondern dass der Film diese Absicht mit einem "Das war doch von vornherein klar"-Nicken dem Zuschauer als einzigen Weg zum Glück verkauft - und das nicht nur für Alex, sondern für alle Mädchen. Schlossern müssen nur die Hässlichen - dann lieber seinen Körper den lüsternen Blicken irgendwelcher geiler Gimpel darbieten.

Gegenbeispiel eines emanzipatorischen Films? Für mich sticht "Sommer in Orangein dieser Hinsicht aus der Vielzahl guter Jugendfilme heraus. In diesem Film ist die Heldin gleich zweifachem Gruppendruck ausgesetzt - soll sie das selbständige berliner Hippie-Kind sein, um das sich die Mutter nicht kümmern muss? Oder die brave Kleine mit den Zwillingszöpfen, wie die bayrische Landschule nebst Dorf es erwarten? Klar versucht sie es erst einmal mit "beides", wie Kinder es meistens im Grunde versuchen, es allen recht zu machen. Als sich der Konflikt zuspitzt und sich herausstellt, dass Lilli nicht auf ihre soziale Einbettung verzichten kann, klärt sich die Krise: ihre Mutter besinnt sich auf ihre Pflichten und unterstützt die Tochter. Emanzipatorischer Ansatz: mach Dein Ding, auch wenn die Eltern und Deine alte Bezugsgruppe dagegen sind.
Anders sein macht einsam, aber klug: man hat schon mal Zeit zum Überlegen
In etwas größerem Rahmen variiert "V wie Vendetta" das selbe Thema: Der Staat hat klare Vorstellungen, wie sich der einzelne sich verhalten soll. Schlimmer noch: diese Vorstellungen sollen bei Strafandrohung bis ins Private verwirklicht werden. Dennoch erklären sich einzelne damit nicht einverstanden, geben dem Unbehagen einer Vielzahl eine Stimme und ermöglichen es den weniger Mutigen, sich einzusetzen, indem sie sich solidarisieren.

Deshalb mein Nadeschda-Tolokonnikova-Eingangsbild. 
Eine Menge Jugendlicher denken:
  1. Der Krieg ist ferne Geschichte und nie wieder nach Europa kommen
  2. Totalitäre Unterdrückungsysteme wie Kommunismus und Faschismus sind überwunden 
  3. Dem Staat kann man ohne Bedenken so viel Macht einräumen, wie es nötig ist um eine maximale bürgerliche Sicherheit (gegen Verbrecher) zu erreichen. Schließlich haben wir ja die Politiker gewählt.

Klar, dass sich uns Friedensdemonstranten und Volkszählungs-Boykottierern da die Fußnägel hochkrempeln, wenn die Kinder es ganz naiv eine gute Idee finden, wenn neben den fast omnipräsenten Kameras in der Innenstadt jetzt auch (unter dem Vorwand 'Maut') der gesamte Verkehr durch Nummernschild-Aufnahmen mit seinem Woher-Wohin überwacht werden soll.
Jetzt tut mal nicht so, als wäre es mit dem Faschismus für alle Zeiten vorbei. Adolf Hitler kommt nicht wieder, und seine Folkloretruppen NPS, DVU, Die Rechte und PRO sind auch eher Witzfiguren. Aber wenn es mit dem Wohlstand erst mal bergab geht, dann wird der Bürger einem neuen Führer huldigen wollen.

Und hier noch ein Gedanke zum Thema, den ich meiner Freundin geklaut habe: Noch wird mit ernstem Gesicht beteuert, das diese Daten niemals der Polizei zur Verfügung gestellt werde. Aber wir wissen dass die nächste Gesetzesänderung nur ein Attentat entfernt ist: Ob die Al-Quaida ganz Bremerhafen mit einem Gastanker hochgehen lässt oder ob die NSU-II nach einem Polizistenmord gesucht wird - schnell wird das Interesse an diese Überwachungsdaten unwiderstehlich und die Nicht-Verwendung geradezu unverantwortlich erscheinen. 

Der freundliche Herr auf dem Bild lebt auch nicht mehr. Unter uns: jeder in Aachen ausgebildete arabische Ingenieur könnte sich ein Attentat ausdenken, bei dem 6000 Menschen zu Tode kommen. Und dann? Wer wird der totalen Überwachung dann noch widersprechen wollen?
Und wenn die Wirtschaftskrise dann endgültig im Ruf nach dem "starken Mann" mündet und der Faschismus in neuem Gewand marschiert, dann werden wir jede voreilende Ermächtigung an unseren scheinbar unzerstörbar demokratischen Staat bereuen.

Datenanalyse

Als zweites werfen wir einmal einen Blick auf die Verteilung von Friendlys Schulnoten: Wie oft gab es welche Note?
Friendly findet alles toll, wenn er seine Glückspillen eingeworfen hat - warum soll ich mir auch Filme ansehen, von denen ich schon weiß, dass sie mir nicht gefallen werden?
Positiv herausragend bewertet (und damit eine Art von persönlicher Bestenliste) sind bisher "Unforgiven", "Hotel Ruanda" und "Inception"

Negativ stachen für mich heraus "Escape Plan", "Percy Jackson" und "Maze Runner". Bitte versteht mich nicht falsch: es gibt bestimmt auf dem weiten Erdenrund noch viel, viel schlechtere Filme als diese Drei - allerdings werden die schon frühzeitig von meinem Radar erfasst und abgewehrt. Ein gewisses Risiko stellen in dieser Hinsicht übrigens Langstreckenflüge dar: verschärfte Langeweile bringt mich dazu, mich auch durch Filme wie "Escape Plan" bis zum Ende durchzuärgern.

Achja, vielleicht interessiert Euch auch, welche Kritiken auf der ewigen Beliebtestenliste führen? Auf den ersten Plätzen liegen "Three days to kill", gefolgt von "Sommer vorm Balkon" und "Edge of tomorrow". 

Im Durchschnitt der letzten Woche dagegen führen "Maze Runner", "Gone Girl" und der Dauerbrenner "Three days to kill". Warum zum Teufel ist Kevin Kostner so beliebt?

Die besten Filmblogs

Wir alle wollen geliebt werden. Für einen Blog-Autor ist geliebt-werden gelesen-werden. Damit ich meine Leser nicht enttäusche, lese ich regelmäßig (aber erst nachdem ich meine Kritik geschrieben habe) was andere Autoren über den jeweiligen Film geschrieben haben.

Das versetzt mich jetzt in die Lage, eine Art Meta-Kritik über die mir liebsten Film-Blogs zu verfassen: Dies sind die besten im deutschsprachigen Raum:

To the lighthouse       Lenas Filmblog ist geradezu das Komplement zu meinem eigenen: Sie sieht lauter abgedrehtes Arthouse-Kino und schreibt so geschmackssicher und kenntnisreich darüber, das ich unter meinen Bekannten inzwischen allen deshalb als gebildet gelte, weil ich die Titel dieser Filme nennen kann...

Sennhausers Filmblog       aus der Schweiz ist echtes Profi-Erzeugnis eines Profi-Journalisten im Auftrag des Schweizerischen Rundfunks SRF2. Trotzdem ist es gut. Sennhauser liefert auch Videoclips über Filme, allerdings finde ich dieses Format irgendwie sperrig - ich kann halt schneller lesen als gucken. Besonders gefallen mir die "Unverpassbaren" - kleine Kurzkritiken zu ungewöhnlichen und übersehenen Filmen.


Unrechtschreibung


Die Rechtschreibung und ich - ein ständiges auf und ab. Beginnend von einem grundschulischen Tief, das mir noch heute so unangenehm ist, dass ich es noch nicht einmal meinem Pseudonym zumuten will, damit in die Öffentlichkeit zu gehen, habe ich mich Jahr um Jahr auf ein Niveau heraufgearbeitet, dass es mir zumindest erlaubt, ohne inneren Widerstand im Betrieb an die Tafel zu treten. Zwischenzeitlich war ich sogar Korrekturleser für ein örtliches Monatsmagazin... sicher eine katastrophale Fehlbesetzung, die das Westdeutsche Pressewesen entscheidend zurückgeworfen hat. Ich habe Artikel direkt in das Setzsystem der Tageszeitung Nummer Eins geschrieben und bin nächtens schweißgebadet aufgewacht, weil mir träumte, ich habe die Überschrift "Willy Brant tod" zu verantworten .... Gut - die Rechtschreibreform hat mich dann wieder zurückgeworfen. Wer versteht eigentlich die ss-ß Regel?

Eigentlich sollte das Problem mit der automatischen Rechtschreibkorrektur jetzt ja ausgeräumt sein, aber mindestens die eingebaute Korrektur meiner Blog-Software hilft mir da nur unwesentlich. Die Interessen meiner mittlerweile tatsächlich etwas zahlreicher werdenden Leser fest im Blick, werde ich die Texte jetzt in Word (bisher: Textedit) vorschreiben und erst nach rigoroser Kontrolle veröffentlichen, isch schwöre!




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